Lebanon
Zu jedem Schuh gehört ein Schicksal.
Die Schuhe und Seele einer Person sind eng miteinander verbunden. Das findet sich in Sprichwörtern, Riten und Kulturen wieder. Zwei Beispiele:
- „Gehe hundert Schritte in den Schuhen eines anderen,
wenn du ihn verstehen willst.“; aus der Kultur der Indianer. - „Try walking in my shoes“; Titel eines Songs von Depeche Mode mit einem bemerkenswerten Text.
Schuhe haben auch eine Symbolkraft für Flüchtende und Soldaten an der Front. In diesen Umgebungen gehen den Menschen vielfach die Schuhe verloren, obwohl sie umsomehr dort auf solide Schuhe angewiesen sind. Viele von uns kennen Bilder von Flüchtingskindern ohne oder mit viel zu großen Schuhen, oder den gemischten Schuhpaaren, oder den Soldaten und Flüchtenden aus Kriegen mit Wickeln an den Füßen anstatt Schuhen.
Der andere Pol des Schuhtragens ist ein Spiegel des Anspruchs und des Luxus. Mit besonderen Schuhen heben wir uns ab von dem schäbigen Mittelmaß. Auch hier gibt es viele Kulturen, die eine besondere Aufmerksamkeit auf den richtigen Schuh zur richtigen Gelegenheit legen.
Bei einem Spaziergang an einem Strand im Libanon 2019 sahen wir einmal ein Unmenge an angespülten Schuhen halb im Sand versunken.
Spontan entstand ein Bild anstrandender Flüchtlingsboote mit viele Flüchtingen, die beim an Land Gehen einen oder gar beide Schuhe verlieren.
Die Schuhe fingen an, uns die Geschichten ihrer verlorenen Träger und Seelen zu erzählen.
Da waren
- die Mutter mit ihrem kleinen Mädchen, einer elfengleichen Ballerina,
- der einsame Junge, der Fussballer werden wollte,
- der Schreiner mit seinen starken Händen, der unter der Last der Flucht zusammenbrach,
- die junge Frau, die nur mehr schweigen konnte, und
- die vielen anderen, mit ihren grausamen Erlebnissen und, so noch vorhanden, ihren Hoffnungen.